Schwangerschaftsabbruch

Schwangerschaftsabbruch

Der Schwangerschaftsabbruch (Abtreibung) ist in Österreich ein sensibles und gesellschaftlich kontrovers diskutiertes Thema. Rechtlich ist er unter bestimmten Voraussetzungen straffrei, jedoch nicht ausdrücklich ein „Recht“. Geregelt ist der Schwangerschaftsabbruch im Strafgesetzbuch. Laut Paragraf 96 ist Abtreibung zwar mit Freiheits- oder Geldstrafen bedroht – Paragraf 97 legt allerdings Ausnahmen fest.

  • Vom Verbrechen zur Fristenregelung (geschichtlicher Hintergrund)
  • Die Gesetzeslage seit 1975
  • Forderung nach Entkriminalisierung
  • Die Versorgungslage in Österreich
  • Andere Länder im Vergleich

Geschichte Österreich

Die rechtliche und gesellschaftliche Bewertung des Schwangerschaftsabbruchs in Österreich ist historisch eng mit religiösen Überzeugungen und bevölkerungspolitischen Interessen verknüpft. Bereits unter der Herrschaft Maria Theresias, einer streng katholischen Monarchin, wurde Abtreibung als schweres Verbrechen betrachtet. Die Constitutio Criminalis, die 1768 in Kraft trat, sah für Schwangerschaftsabbrüche die Todesstrafe durch das Schwert vor.

Mit dem Strafgesetz von 1852 wurden Schwangerschaftsabbrüche erstmals systematisch im österreichischen Recht verankert. In den Paragraphen 144 bis 148 wurde der Abbruch als Verbrechen definiert. Frauen, die eine Schwangerschaft „absichtlich“ unterbrachen, mussten mit einer Freiheitsstrafe zwischen sechs Monaten und fünf Jahren schweren Kerkers rechnen.

Während des nationalsozialistischen Regimes verschärfte sich der Strafrahmen drastisch. Die Verordnung „zum Schutz von Ehe, Familie und Mutterschaft“ drohte Abtreibenden in bestimmten Fällen sogar die Todesstrafe an – allerdings galt dieses Verbot nur für sogenannte „Arierinnen“. 1936 wurde die „Reichszentrale zur Bekämpfung der Homosexualität und Abtreibung“ eingerichtet. Heinrich Himmler bezeichnete beide Phänomene als „erhebliche Gefährdung der Bevölkerungspolitik und Volksgesundheit“. Während Frauen, die dem „deutschen Volk“ angehörten, zur Sicherung der „arischen Rasse“ beitragen sollten, organisierten die NationalsozialistInnen gleichzeitig systematisch die Vernichtung „unwerten“ Lebens. Nach Kriegsende wurde 1945 das österreichische Strafgesetz in der Fassung von März 1938 wieder in Kraft gesetzt, einschließlich des während des Austrofaschismus neu gefassten Paragrafen 146.

In den frühen 1970er-Jahren erhob die autonome Frauenbewegung die Forderung nach Straffreiheit des Schwangerschaftsabbruchs zu einem ihrer zentralen Anliegen. Unterstützung erhielt sie dabei von engagierten Frauen der Kommunistischen Partei Österreichs (KPÖ) und von Sozialdemokratinnen. Die Sozialdemokratische Partei hatte sich bereits in der Ersten Republik für eine Liberalisierung der Abtreibungsgesetze eingesetzt.

Besonders betroffen waren Frauen mit geringem Einkommen, die sich sichere medizinische Eingriffe nicht leisten konnten. Unsachgemäß durchgeführte Schwangerschaftsabbrüche führten bei vielen von ihnen zu schweren physischen und psychischen Folgen – nicht selten endeten sie sogar tödlich.

Nach dem Wahlsieg der SPÖ im Jahr 1971, bei dem sie erstmals die absolute Mehrheit im Parlament errang, legte Justizminister Christian Broda einen Gesetzesentwurf zur Entkriminalisierung des Schwangerschaftsabbruchs vor. Dieser Entwurf sah zunächst nur eine erweiterte Indikationslösung vor – also eine Legalisierung des Abbruchs unter bestimmten Bedingungen. Doch unter dem Druck der Frauenorganisationen der Partei änderte Broda seine Haltung. Schließlich setzte sich das Modell der sogenannten Fristenlösung durch, das den Schwangerschaftsabbruch innerhalb eines gesetzlich festgelegten Zeitraums straffrei stellte.

Die Losungen „Ob Kinder oder keine, entscheiden wir alleine“ oder „Mein Bauch gehört mir“ waren auf den Transparenten jener Aktivistinnen zu lesen, die zu dieser Zeit für das Selbstbestimmungsrecht der Frauen kämpften und vermeintlich private Fragen öffentlich politisierten.

Rückenwind erhielt die österreichische Frauenbewegung durch internationale Impulse, etwa durch eine Aktion in Frankreich: Im Manifest Le manifeste des 343 salopes, das in der Zeitschrift Le Nouvel Observateur veröffentlicht wurde, bekannten sich 343 Französinnen öffentlich dazu, abgetrieben zu haben – darunter prominente Persönlichkeiten wie Simone de Beauvoir, Catherine Deneuve und Jeanne Moreau. Alice Schwarzer brachte diese Aktion später in den deutschen Stern.

Ein besonders medienwirksamer Protest fand im Winter 1972 in Wien statt: Bei einer Demonstration auf der Mariahilfer Straße, organisiert von der AUF (Aktion Unabhängiger Frauen) und dem „Aktionskomitee zur Abschaffung des § 144“, ließ sich die Aktionskünstlerin Erika Mis in einem Käfig, begleitet von einem Richter, einem Arzt und einem Priester, durch die belebte Einkaufsstraße ziehen – ein kraftvolles Sinnbild für die Fremdbestimmung über weibliche Körper.

1975 Reform des §144 StGB
Konservative Kreise, allen voran die katholische Kirche, stellten sich gegen die geplante Gesetzesänderung, die „Aktion Leben“ organisierte ebenfalls Protestaktionen und 1975 schließlich ein Volksbegehren zum „Schutz des menschlichen Lebens“, das fast 900.000 Unterschriften erhielt. 1973 wurde die Fristenlösung dennoch mit den Stimmen der SPÖ im Parlament beschlossen – ÖVP und FPÖ hatten sich von Beginn an dagegen gestellt – mit Jahresbeginn 1975 trat sie in Kraft. Bruno Kreisky dazu:„Ich weiß zwar, wie man Wahlen gewinnt, ich weiß aber auch, wie man sie verliert, und jetzt bei dieser Abtreibungssache schaut es ganz danach aus.“

1973 (Alleinregierung der SPÖ) stimmte der Nationalrat mit den Stimmen der SPÖ gegen die Stimmen von ÖVP und FPÖ dem Antrag zur Fristenregelung zu. Im Dezember 1973 legte der Bundesrat gegen das neue Strafgesetz ein Veto ein, sodass der Nationalrat im Jänner 1974 einen Beharrungsbeschluss fassen musste. Nationalratsabgeordnete Anneliese Albrecht hielt am 23. Jänner 1974 eine Rede für die Fristenregelung im Nationalrat. An diesem Tag fasste das Parlament mit den Mehrheitsstimmen der SPÖ den Beharrungsbeschluss für die Straffreiheit des Schwangerschaftsabbruchs innerhalb der ersten drei Monate, nachdem der Gesetzesbeschluss vom Bundesrat beeinsprucht worden war. Somit konnte die Fristenregelung (erst) am 1.1.1975 in Kraft treten.

Seit Inkrafttreten der sogenannten Fristenlösung im Jahr 1975 regelt § 97 des Strafgesetzbuchs (StGB) die Bedingungen, unter denen ein Schwangerschaftsabbruch in Österreich straffrei bleibt. Zwar ist der Abbruch gemäß § 96 grundsätzlich mit Geld- oder Freiheitsstrafe bedroht, doch legt § 97 klare Ausnahmen fest, die eine Straffreiheit ermöglichen. Ein Schwangerschaftsabbruch ist demnach nicht strafbar, wenn:

  • er innerhalb der ersten drei Monate nach Beginn der Schwangerschaft erfolgt,
  • zuvor eine ärztliche Beratung stattgefunden hat,
  • der Eingriff von einer Ärztin oder einem Arzt durchgeführt wird.

Darüber hinaus ist ein Abbruch auch nach Ablauf der ersten drei Monate erlaubt, wenn:

  • eine ernste Gefahr für das Leben oder die körperliche oder seelische Gesundheit der Schwangeren besteht,
  • eine schwere geistige oder körperliche Schädigung des Kindes zu erwarten ist,
  • die Schwangere zum Zeitpunkt der Empfängnis unter 14 Jahre alt war.

Wichtig ist: Ärztinnen und Ärzte sind nicht verpflichtet, einen Schwangerschaftsabbruch durchzuführen oder daran mitzuwirken – außer wenn der Eingriff notwendig ist, um eine unmittelbar drohende, nicht anders abwendbare Lebensgefahr für die Schwangere abzuwenden. Diese Regelung gilt auch für anderes medizinisches Personal in gesetzlich geregelten Gesundheitsberufen.

Jugendliche und Schwangerschaftsabbruch
Ab dem 14. Lebensjahr können Jugendliche in Österreich eigenständig in einen Schwangerschaftsabbruch einwilligen. Die Zustimmung der Eltern ist in der Regel nicht erforderlich. Vor dem 14. Geburtstag ist hingegen die Einwilligung einer erziehungsberechtigten Person zwingend notwendig. In Fällen eingeschränkter Einsichts- und Urteilsfähigkeit – etwa bei geistiger Beeinträchtigung – ist die Zustimmung ebenfalls erforderlich, unabhängig vom Alter.

Kostenregelung: keine Kostenübernahme durch die Krankenkasse

  • Ein Schwangerschaftsabbruch wird in Österreich nicht von der gesetzlichen Krankenversicherung bezahlt, außer bei medizinischer Indikation (Gefahr für die Frau).
  • Kosten: meist zwischen 400 – 800 Euro.

In der Praxis bedeutet das: Der Zugang zu einem legalen und sicheren Abbruch hängt nicht selten vom Einkommen ab.

Trotz der geltenden Regelung ist der Schwangerschaftsabbruch nach wie vor im Strafgesetzbuch verankert. Dies sorgt zunehmend für Kritik. Auch Ronya Alev von Amnesty Österreich unterstreicht: Der Zugang zu einem sicheren Abbruch sei ein Menschenrecht – eng verknüpft mit Würde, Selbstbestimmung und körperlicher Unversehrtheit.

Mirijam Hall, Assistenzärztin an der Klinik Ottakring in Wien und Mitinitiatorin von #AusPrinzip, erklärte: „Abbrüche verschwinden nicht durch restriktive Gesetze. Sie werden nur unsicherer – und damit gefährlich.“ Weltweit sterben jährlich rund 30.000 Frauen an den Folgen unsicherer Abtreibungen. Diese Zahl entspricht über zehn Prozent aller Fälle von Müttersterblichkeit.

Hall macht deutlich: Ein Abbruch ist ein medizinisch einfacher Eingriff – oft reicht die Einnahme von Tabletten, ein chirurgischer Eingriff dauert meist nur wenige Minuten. Entscheidend sei die flächendeckende Versorgung in ganz Österreich – unabhängig von Einkommen, Wohnort oder der Einstellung der Ärztinnen und Ärzte vor Ort.

  • Es gibt keine öffentliche Pflichtversorgung. Das heißt:
    • Nicht alle Krankenhäuser führen Abbrüche durch.
    • In ländlichen Regionen ist die Versorgungslage eingeschränkt.
  • Die meisten Abtreibungen erfolgen in Wien, wo auch entsprechende Ambulanzen und Aufklärungsstellen vorhanden sind.

Weil die derzeitige gesetzliche Lage den Schwangerschaftsabbruch als Straftat bewertet, es Ärzt*innen freistellt, ob sie den Eingriff durchführen, bzw. die Medikamente innerhalb der ersten drei Monate abgeben wollen oder die Frau gezwungen ist die Schwangerschaft auszutragen.
Weil es in Österreich nach wie vor eine gesellschaftlich akzeptierte Meinung ist, dass Frauen durch eine Schwangerschaft gezwungen werden dürfen. Mit all den Konsequenzen. Körperliche wie psychische. Einigen in unserem Land ist auch diese schlechte Versorgungslage noch zu viel, sie wünschen sich zurück in die Zeit vor 1973.
Wie schnell das manchmal gehen kann, sehen wir mit Schrecken in den USA und Polen, wo Frauen verfolgt werden, die sich gegen eine Schwangerschaft entscheiden, Ärzt*innen der Zugang zu Mifegyne verwehrt wird, Frauen mittlerweile wieder sterben.
Mit restriktiven Zugängen oder dem Schoten Abschaffen von Möglichkeiten verschwinden Abtreibungen nicht. Sie werden nur unsicher und damit gesundheitsgefährdend für Frauen. Geschätzt sterben weltweit jedes Jahr 30.000 Frauen an den Folgen einer unsicheren Abtreibung. Es braucht Versorgungssicherheit für Frauen in ganz Österreich.

Icon Gluehbirne

Fazit

Ein halbes Jahrhundert nach Einführung der Fristenlösung fordern zahlreiche Stimmen eine konsequente Entkriminalisierung des Schwangerschaftsabbruchs – weg vom Strafrecht, hin zu einem selbstbestimmten Zugang auf Basis gesundheitlicher Versorgung und Menschenrechte.

Andere Länder im Vergleich

Der Supreme-Court in den USA hat das strikte Abtreibungsgesetz in Idaho wieder in Kraft gesetzt. Demnach ist ein Schwangerschaftsabbruch nur zulässig, wenn das Leben der Frau in Gefahr ist.

In Polen ist es seit 2020 weitgehend unmöglich, Schwangerschaftsabbrüche legal vornehmen zu lassen.
25.1.2024 Standard
Bisher waren Schwangerschaftsabbrüche in Polen de facto verboten. Ein neuer Gesetzesentwurf soll das ändern.

Indikationen und Fristenlösung mit Beratungspflicht
Der Schwangerschaftsabbruch ist in Deutschland nach § 218 des Strafgesetzbuches im Allgemeinen rechtswidrig. Es ist jedoch nach § 218a StGB in einer Reihe von Ausnahmefällen Straffreiheit möglich.

In Frankreich wurde ein Schwangerschaftsabbruch 1975 erstmals legalisiert. Wie in vielen anderen europäischen Ländern lag auch hier die Fristenregelung bei zwölf Wochen, bis diese 2001 auf 14 Wochen ausgeweitet wurde.

In den Niederlanden ist ein Schwangerschaftsabbruch auf Verlangen der Frau bis zur 22. Schwangerschaftswoche möglich. Gleichzeitig zählen die Niederlande zu den Ländern mit den wenigsten Abtreibungen.

Restriktivere Gesetzeslagen gelten in Irland, Malta, San Marino, Liechtenstein und Andorra.