Mental Load
Der Begriff Mental Load schwirrt in den letzten Jahren immer mehr durch Medien und Öffentlichkeit. Ein neuer Begriff für alte Rollenbilder. Wir wollen hier versuchen in Kurzfassung das Phänomen Mental Load verständlicher zu machen. Und was braucht es für Veränderung an strukturellen Verbesserungen und an persönlichen Änderungen?
Der Wendepunkt
Werden Frauen Mütter, nimmt ihr Leben in Bezug auf Care-Arbeit meistens eine negative Wende – es kommt zu einem Ungleichgewicht.
- In erster Linie gehen noch die Mütter in Karenz. Nur ein Prozent der Väter geht länger als sechs Monate in Karenz.
- Nach der Karenz arbeiten über 72 Prozent der Mütter in Teilzeit, aber nur 7,3 Prozent der Väter. Karenzzeiten bedeuten gleichzeitig oft Einkommenseinbußen (Pension) und eine Verschlechterung der Karrierechancen für Frauen.
Männer tragen damit dann weit mehr zum ökonomischen Familieneinkommen bei, während Frauen vor allem die Verantwortung für die emotionale (Care-)Arbeit zukommt.
Erklärung
Mental Load bedeutet übersetzt „mentale Belastung“
Mental Load bezieht sich nicht nur auf die Menge der Aufgaben, sondern vor allem auf die Verantwortung alles am Laufen zu halten – also das gesamte Familienmanagement. Es ist die Last der ständigen unsichtbaren Planungs- und Koordinierungsaufgaben, die im Alltag anfallen und die damit verbundene Verantwortung. Darunter fallen zahlreiche wichtige Alltagsaufgaben, die Frauen – und insbesondere Frauen mit Kindern – oft „unbemerkt“ nebenher erledigen. Es ist ein „unsichtbare Stress“.
Mental Load ist Teil der Care Arbeit
- Hausarbeit, Kinderbetreuung, Pflege von älteren Angehörigen, das sich Kümmern um diese…
- Familienorganisation: Arzttermine machen, Urlaube planen, wissen wo sich was befindet (z.B. Impfpässe etc.)
- Wichtelarbeit: Kindergeburtstag organisieren, an Geburtstage denken, Geschenke zu Ostern, Weihnachten und Geburtstagen überlegen und besorgen, Feiern planen…
- Gefühlsarbeit: sich verantwortlich dafür fühlen, dass es allen in der Familie gut geht, eigene Gefühle zugunsten anderer zurückstellen
- Abbau von Cortisol
75% der Arbeit steckt im daran denken und planen und teilweise durchführen. (Patricia Cammarata)
Mental Load ist unsichtbar und unbezahlt. Dagegen ist Erwerbsarbeit bezahlt und anerkannt. Für Frauen ist es oft sehr belastend all diese Checklisten und Aufgaben im Kopf zu haben. Sie fühlen sich häufig ermüdet und erschöpft. Damit alles reibungslos läuft, hat das oft immense negative Auswirkungen auf die Psyche. Es ist dieses ständige „an alles Denken“ und „alles im Blick“ haben, was zur Überlastung bis hin zum Burn Out führen kann. Dies ist ein riesiger Stressfaktor. Als Frau hat man aber oft diesen Anspruch an sich selbst. Schafft man das Unschaffbare nicht, so wird man von Selbstzweifeln und einem schlechten Gewissen geplagt.
Auswirkungen
Auswirkungen für die Person, die Mental Load vorrangig trägt
- Dauerhaft erhöhter Cortisolspiegel durch Stress(Fast-Forward Family. Home, Work, and Relationships in Middle-Class America“, University of California Press); Auswirkungen von Cortisol auf unsere Gesundheit: Schlafstörungen, innere Unruhe, Ängste, erhöhter Blutdruck, Herz- Kreislauferkrankungen, Gefäßverengungen, Übergewicht, Depression/Erschöpfungszustände, Verminderte Lust auf Sexualität
- Frauen* haben weniger Chancen im Berufsleben (Gender Pay-Gap; Gender Pensions-Gap, Altersarmut)
- Frust und Konflikte in der Partnerschaft aufgrund von unzureichenden Rollenerwartungen
- Verlust von Selbstfürsorge und letztlich auch weniger Empathievermögen für die Kinder
Um langfristige Gesundheitsfolgen zu verhindern, brauchen wir Pausen von unserer To-Do-Liste.
- Zeit alleine ohne To-Dos (10 Min. auf der Couch, auf der Parkbank, Tanzen, Spazieren, Yoga…)
- Imaginationen (der innere sichere Ort, duale Musik 60Hz Youtube)
- Sich selbst spüren/Selbstfürsorge
- Pausen, auch wenn die To-Do-Liste noch nicht abgearbeitet ist
Was können wir also tun?
- Individuell kann jede Frau etwas gegen die automatische Zuweisung dieser traditionellen Rollenaufgaben machen.
- Mental Load und ungleiche Verteilung von Care-Arbeit ist aber kein individuelles Problem, es betrifft uns alle: Frauen, Familien, die Gesellschaft.
- Diese Ungleichverteilung festigt alttradierte Rollenbilder, mit denen junge Familien oft gar nicht mehr zufrieden sind. Viele Paare möchten ihre Beziehung heutzutage gleichberechtigt gestalten.
- Dafür müssen auch Themen wie der Mental Load angesprochen werden.
Als Paar das Thema angehen:
- Es braucht viel Arbeit an sich selbst und den Willen als Paar gemeinsam so einen Prozess anzustoßen.
- Manchmal braucht es auch Unterstützung von außen, um wirklich an gleichberechtigen Modellen der Aufgabenverteilung zu arbeiten.
- Sich Unterstützung in Beratung, Therapien, Coaching holen.
- Mit Arbeitsblättern / Tests arbeiten.
Gleichberechtigte Partnerschaft/Elternschaft
Grundvoraussetzung: echtes Interesse & Engagement auf beiden Seiten! Anstreben von Ausgeglichenheit in 5 Bereichen:
- Karenzzeiten
- Erwerbsarbeit
- Hausarbeit
- Kindererziehung und -betreuung
- Zeit für sich selbst (bzw. Zweisamkeit)
Eine neue Vereinbarkeit muss Einzug in unsere Gesellschaft halten, die wir nur gemeinsam gestalten können:
- Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist Frauen- UND Männersache
- Der tagtägliche Mental Load muss gerecht aufgeteilt werden
- Wir brauchen in unserer Gesellschaft mehr Sensibilisierung für das Thema sowie einen gelebten Wertewandel.
Schaffen wir Rahmenbedingungen wie
- umfassende und gute Kinderbetreuung
- gerecht verteilte Karenzzeiten
- gleiches Einkommen
- typische Frauenberufe müssen neu bewertet und besser bezahlt werden
- bessere Karrierechancen für Frauen – auch in den Vorstandsetagen
- bessere Mobilität am Land
Und daher müssen wir uns zusammentun und gemeinsam für Verbesserungen kämpfen.
Weiterlesen:
https://mental-load-test.org/at-home/#start
https://www.frauenberatung.gv.at/informationen/mental_load_und_familienmanagement.html
https://mental-load-test.org/wp-content/uploads/2023/02/mental-load-test-home-initiative-equal-care-DE.pdf
https://letsempoweraustria.at/material/checkliste-mental-load/