Meilensteine und Pionierinnen
Der lange Weg zur Gleichberechtigung von Frauen und Männern in Österreich
In der österreichischen Verfassung – dem wichtigsten Gesetz – steht: Frauen und Männer sind gleichberechtigt. Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. Niemand darf wegen seines Geschlechts benachteiligt werden. Der Staat soll dafür sorgen, dass Frauen und Männer wirklich gleichgestellt sind. Auch das Wahlrecht ist für alle gleich: Frauen dürfen in Österreich wählen und auch gewählt werden. Doch das war nicht immer so. Die Geschichte der Frauenrechte in Österreich ist geprägt von einem langen und oft mühsamen Kampf um Gleichstellung.
Frauen kämpfen schon seit vielen Jahrhunderten für ihre Rechte. Sie wollen:
- gleichberechtigt sein,
- politisch mitbestimmen
- und selbst Geld verdienen können.
Die Erste Frauenbewegung
In Österreich war Karoline von Perin eine wichtige Frau in diesem Kampf. Im Jahr 1848 gründete sie den „Wiener demokratischen Frauenverein“. Dieser Verein setzte sich für die Gleichberechtigung der Frau ein. Schon im 19. Jahrhundert begannen Frauen, sich für ihre Rechte einzusetzen. Sie wollten arbeiten, Geld verdienen, studieren und mitbestimmen dürfen. Ein großer Schritt war, dass Frauen ab dem Jahr 1897 an Universitäten studieren durften. Der größte Erfolg dieser Bewegung war im Jahr 1918: Frauen durften zum ersten Mal in Österreich wählen gehen.
Die Zweite Frauenbewegung
Die Zweite Frauenbewegung begann in den 1960er und 1970er Jahren. Sie war Teil der 68er-Bewegung, in der viele Menschen neue Rechte forderten. Frauen wollten das hierarchische Geschlechterverhältnis aufbrechen – Männer sollten nicht mehr alles allein bestimmen. Ein wichtiges Ziel war: Frauen sollen selbst über ihren Körper entscheiden dürfen – zum Beispiel bei der Frage einer Schwangerschaft.
Diese Forderungen kamen auch in der Politik an. Besonders in der SPÖ (Sozialdemokratische Partei) setzten sich viele Frauen dafür ein. Während die großen Koalitionen in den Nachkriegsjahren keine Einigung über Gleichstellung erzielten, waren unter der Kanzlerschaft von Bruno Kreisky diese endlich möglich. Als die SPÖ ab 1970 regierte, wurden wichtige Gesetze möglich – unter Bundeskanzler Bruno Kreisky.
Wichtige Erfolge ab den 1970er Jahren
- 1975: Die sogenannte Fristenregelung wurde eingeführt.
- Schwangerschaftsabbrüche sind in den ersten 3 Monaten nicht mehr strafbar.
- Aber sie sind bis heute nicht völlig legal (und werden auch immer noch im Strafgesetzbuch geregelt) – obwohl Frauen das schon vor über 100 Jahren gefordert hatten.
- 1970: Uneheliche Kinder und eheliche Kinder wurden rechtlich gleichgestellt.
- 1975: Die große Familienrechtsreform wurde beschlossen.
- Der Mann war nicht mehr automatisch das Familienoberhaupt.
- Frauen mussten ihre Männer nicht mehr um Erlaubnis fragen, wenn sie arbeiten wollten.
- 1973: Durch eine Steuerreform wurde die alte Haushaltssteuer abgeschafft.
- Jetzt zählt das Einkommen jeder Person einzeln – das nennt man Individualbesteuerung.
- In Österreich werden Paare also steuerlich nicht bevorzugt, wenn nur einer arbeitet – anders als in Deutschland.
- 1976: Das Unterhaltsvorschuss-Gesetz kam.
- Wenn ein Vater keinen Unterhalt zahlt, springt der Staat ein.
- Auch das Kinderbetreuungsgeld wurde erhöht.
- Mütter und Väter bekamen bei der Erziehung gleiche Rechte.
- Früher gab es „väterliche Gewalt“, jetzt heißt es „elterliche Gewalt“.
- 1978: Eine Scheidung ist seitdem auch möglich, wenn nur ein Partner das will.
- Das in der Ehe gemeinsam erworbene Vermögen wird nun geteilt.
- Der Mann darf nicht mehr automatisch das Geld oder die Rechte der Frau verwalten.
- 1979 wurde in Österreich das Verbot von Lohndiskriminierung eingeführt. Das heißt: Frauen dürfen nicht weniger verdienen als Männer, wenn sie die gleiche oder gleichwertige Arbeit machen. Auch bei Bewerbungen oder Kündigungen darf es keine Benachteiligung geben.
- 1989: Erst in diesem Jahr wurde eine große Ungerechtigkeit beendet:
- Vergewaltigung in der Ehe wurde endlich strafbar.
- 1997: Ein besonders wichtiger Schritt war das Gewaltschutzgesetz von 1997. Seitdem ist klar: Gewalt in der Familie ist kein Privatproblem. Es gibt Schutz für Frauen – zum Beispiel durch Betretungsverbote für Täter oder durch Frauenhäuser. 2011 hat Österreich die sogenannte Istanbul-Konvention unterzeichnet. Dieser Vertrag schützt Frauen vor Gewalt und verpflichtet den Staat zu Maßnahmen

Trotz vieler Gesetze und Fortschritte ist die Gleichstellung noch nicht vollständig erreicht. Oft wirken Gesetze zwar neutral, betreffen in Wirklichkeit aber vor allem Frauen – zum Beispiel beim Kinderbetreuungsgeld oder bei Teilzeitarbeit. Deshalb braucht es weiterhin besondere Maßnahmen, um echte Gleichberechtigung zu erreichen. Frauen haben in den letzten 100 Jahren viel erreicht. Doch der Weg zur vollständigen Gleichstellung ist noch nicht zu Ende. Es braucht weiter klare Regeln, politischen Willen – und vor allem: Gleichberechtigung im Alltag.
Die wichtigsten Meilensteine, chronologisch dargestellt
19. Jahrhundert
- Keine politischen Rechte: Frauen waren vom Wahlrecht und von öffentlichen Ämtern ausgeschlossen.
- Bildung: Erst Ende des 19. Jahrhunderts wurde Frauen der Zugang zu höheren Bildungseinrichtungen langsam ermöglicht, z. B. zur Universität Wien (ab 1897, zunächst nur als Gasthörerinnen).
1918: Einführung des Frauenwahlrechts
- Mit dem Zusammenbruch der Monarchie und der Gründung der Ersten Republik Österreich erhielten Frauen das aktive und passive Wahlrecht.
- Erste Nationalratswahl mit Frauen: 1919. Damals wurden sieben Frauen ins Parlament gewählt.
Zwischenkriegszeit (1918–1938)
- Erste Fortschritte im Bildungsbereich und Arbeitsrecht.
- Doch die politischen und sozialen Rechte blieben beschränkt, und viele Forderungen der Frauenbewegung wurden ignoriert.
NS-Zeit (1938–1945)
- Frauenrechte wurden stark eingeschränkt. Die NS-Ideologie sah Frauen vor allem in ihrer Rolle als Mütter und Hausfrauen.
- Weibliche Erwerbstätigkeit wurde zwar in der Kriegswirtschaft genutzt, aber nicht gefördert.
Zweite Republik (ab 1945)
- 1950er/60er Jahre: Langsame Rückkehr zur Gleichberechtigung – allerdings war z. B. bis 1975 der Ehemann das „Familienoberhaupt“.
- 1975: Neues Eherecht – Mann und Frau sind rechtlich gleichgestellt in der Ehe.
- 1975 Fristenregelung für Schwangerschaftsabbrüche
- 1979: Erste Frauenministerin Österreichs: Johanna Dohnal (ab 1990 offiziell als Frauenministerin im Ressort).
1990er bis heute
- Gleichbehandlungsgesetze: Immer wieder reformiert, z. B. Schutz vor sexueller Belästigung am Arbeitsplatz.
- Quotenregelungen: In öffentlichen Gremien und Parteien werden Frauenquoten diskutiert und teils umgesetzt.
- 1997 Gewaltschutzgesetz
- Mutterschutz und Karenz: Ausbau familienfreundlicher Maßnahmen.
- 2021: Erste Frau als Bundeskanzlerin: Brigitte Bierlein (2019–2020 als Übergangskanzlerin).
Aktuelle Herausforderungen
- Gender Pay Gap
- Unterrepräsentation in Führungspositionen
- Gewalt gegen Frauen
- Vereinbarkeit von Beruf und Familie

Wichtige Pionierinnen in der Frauenbewegung in Österreich
Spätestens seit Beginn der Industrialisierung in Europa kämpften Frauen für mehr Gerechtigkeit, soziale Anerkennung und gleiche Chance. Denn mit der beginnenden Industrialisierung mussten auch viele Frauen außerhalb des Haushalts arbeiten gehen, weil der Lohn ihrer Männer oft nicht ausreichte, um die Familie zu versorgen.
Politisches Engagement von Frauen im 19. Jahrhundert
Bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts waren Frauen in Österreich von der politischen Öffentlichkeit ausgeschlossen. Sie durften weder Mitglied in politischen Vereinen sein noch an politischen Versammlungen teilnehmen. Trotz dieses Verbots fanden viele Frauen Wege, sich trotzdem politisch zu engagieren – oft indirekt oder im Hintergrund. Ein wichtiges Beispiel ist der erste politisch-demokratische Frauenverein, der am 28. August 1848 in Wien gegründet wurde. Die Gründung fand im Salon des Wiener Volksgartens statt. Baronin Karoline von Perin wurde zur Präsidentin des Vereins gewählt. Der Anlass für die Gründung des „Wiener Demokratischen Frauenvereins“ war eine kurz zuvor von der Regierung angekündigte Lohnkürzung, die vor allem Arbeiterinnen traf. Am 23. August 1848 protestierten viele Menschen dagegen. Es kam zu einem Demonstrationszug beim Prater, der gewaltsam niedergeschlagen wurde. Daraufhin trafen sich mehrere hundert Frauen, vor allem aus dem Bürgertum, im Volksgarten. Sie wollten:
- Geld für die betroffenen Arbeiterinnen sammeln,
- und mit einem offiziellen Antrag die Rücknahme der Lohnkürzung fordern.
Beispiele für wichtige Frauen der österreichischen Frauenbewegung
Weiterlesen:
https://www.demokratiezentrum.org/bildung/ressourcen/themenmodule/frauenperspektiven/pionierinnen-der-frauenbewegung/
https://www.parlament.gv.at/verstehen/demokratie-wahlen/frauen-im-parlament/pionierinnen/johanna-dohnal/
https://www.moment.at/story/beruehmte-frauen-oesterreich/
https://www.frauenmachengeschichte.at/frauen-in-der-sozialdemokratie-geschichte/
Die ersten Frauen im Parlament
Am 4. März 1919 fand die erste Sitzung der Konstituierenden Nationalversammlung statt. Dabei zogen zum ersten Mal auch Frauen ins Parlament ein. Acht Frauen wurden gewählt: Sieben von der Sozialdemokratischen Partei – Anna Boschek, Emmy Freundlich, Adelheid Popp, Gabriele Proft, Therese Schlesinger, Amalie Seidel und Maria Tusch – sowie Dr. Hildegard Burjan von der Christlichsozialen Partei. Diese Pionierinnen haben den Weg für viele Generationen von Frauen in Politik und Gesellschaft geebnet. Ihr Engagement wirkt bis heute nach.
Mehr über diese Frauen: https://www.parlament.gv.at/verstehen/demokratie-wahlen/frauen-im-parlament/pionierinnen/index.html und https://hdgoe.at/erste-weibliche-abgeordnete-parlament


