Frauen Bildung 3

Frauen und Bildung

Bildung ist der mächtigste Hebel zur Gleichstellung von Frauen – weltweit und in Österreich. Das Thema „Frauen und Bildung“ ist zentral für Gleichstellung, soziale Teilhabe und wirtschaftliche Entwicklung.  Sie darf nicht nur zugänglich, sondern muss auch gerecht und chancengleich gestaltet sein. Bildung eröffnet Frauen nicht nur persönliche Chancen, sondern wirkt sich auch positiv auf ganze Gesellschaften aus. Lange Zeit war Bildung für Frauen stark eingeschränkt – besonders höhere Bildung.

Historische Entwicklung in Österreich

  • Im 18. und 19. Jahrhundert erhielten Töchter des gehobenen Bürgertums meist Hausunterricht nach aristokratischem Vorbild. Höhere Bildung galt als unvereinbar mit der „weiblichen Bestimmung“, und öffentliche Abschlüsse wie die Matura waren Frauen bis Ende des 19. Jahrhunderts verwehrt.
  • 1774 führte Maria Theresia die allgemeine Schulpflicht für Mädchen und Buben ein. Im 19. Jahrhundert entstanden erste Bildungsanstalten für Mädchen, meist mit hauswirtschaftlicher Ausrichtung. Frauenvereine wie der „Verein für erweiterte Frauenbildung“ setzten sich für den Zugang zu höheren Schulen und Universitäten ein. Ab 1878 durften Frauen die Matura ablegen, jedoch zunächst ohne Universitätsreife.
  • Wichtige Fortschritte gab es ab den 1890er-Jahren: Gründung des ersten Mädchengymnasiums in Wien (1892), schrittweise Studienzulassung ab 1897, erste weibliche Promotion 1897 (Gabriele Possanner, Medizin). Dennoch blieb die Ausbildung oft auf „Frauenberufe“ wie Lehrerin, Erzieherin oder Kindergärtnerin beschränkt.
  • Nach 1919 nahmen Mädchen vermehrt an koedukativen Schulen teil, Lyzeen wurden in Realgymnasien umgewandelt. Ab 1933 kam es zu Rückschritten: Zugangsbeschränkungen, Lehrerinnenzölibat und Einschränkungen bei Knabenschulen.
  • Nach 1945 standen öffentliche Mittelschulen und Hochschulen offen, frauenspezifische Schulen blieben aber bestehen. Bis in die 1970er-Jahre war die Berufsausbildung stark auf wenige Berufe konzentriert. Mit der Verlängerung der Schulpflicht (1962) und der Ausweitung koedukativer Angebote begann der Abbau traditioneller Rollenzuweisungen. In den 1980er-Jahren stellten Mädchen rund die Hälfte der Maturant:innen, lagen aber bei Lehrabschlüssen weiterhin hinter den Männern.

1774

Einführung der allgemeinen Schulpflicht für Mädchen und Jungen (6 – 12 Jahre) unter Maria Theresia.

1775

Gründung des Offizierstöchter-Instituts (hauswirtschaftliche Ausrichtung).

1786

Zivil-Mädchen-Pensionat eröffnet.

1812


„Gesellschaft adeliger Frauen zur Beförderung des Guten und Nützlichen“ gegründet.

1868

Wiener Pädagogium als Lehrer:innenbildungsanstalt eröffnet.

1869

Reichsvolksschulgesetz: Schulpflicht bis 14 Jahre, auch für Mädchen.

1870

Initiative von Marianne Hainisch für Mädchenmittelschulen scheitert.

1871

Gründung einer höheren Mädchenschule durch den Frauen-Erwerb-Verein.

1878

Frauen dürfen Matura ablegen, jedoch ohne Universitätsreife.

1892

Erstes Mädchengymnasium in Wien (vorher 1890 in Prag).

1896

Nostrifizierung ausländischer Doktorate für Frauen möglich.

1897

Erste weibliche Promotion (Gabriele Possanner, Medizin); schrittweise Studienzulassung.

1900

Einführung von Mädchenlyzeen.

1908

Frauen zum Studium an der Graphischen Lehr- und Versuchsanstalt zugelassen.

1911/12

Gründung des ersten Mädchenrealgymnasiums durch Eugenie Schwarzwald.

1919

Teilweise Öffnung von Knabenschulen für Mädchen in Wien.

1927

Lyzeen werden in Realgymnasien umgewandelt.

1933/34

Rückschritte: Zugangsbeschränkungen, Lehrerinnenzölibat.

1938

Entzug des Öffentlichkeitsrechts für konfessionelle Mädchenschulen.

1945

Öffentliche Mittelschulen und Hochschulen stehen Frauen offen.

1962

Verlängerung der Schulpflicht auf neun Jahre; Ausbau koedukativer Angebote.

1983/84

Mädchen stellen 51 % der Maturant:innen, jedoch geringerer Anteil bei Lehrabschlüssen.

Und wie schaut es heute aus?

Geschlechterverteillung Bildungsabschluesse Eu Silc 2020 1

Bei der Verteilung der Bildungsabschlüsse in Österreich sind deutliche Geschlechterunterschiede erkennbar. Eine Lehre absolvieren fast doppelt so viele Männer wie Frauen. Frauen hingegen haben häufiger die Matura und schließen die Mehrheit der FH- und Universitätsabschlüsse ab – sie sind also höher gebildet. Trotzdem verdienen sie weniger als Männer – oftmals bei gleichem oder sogar bei höherem Bildungsgrad. So genannte „Education-Gender-Pay-Gaps“ finden sich auf allen Bildungsebenen, vom Pflichtschulabschluss bis hinauf ins Hochschulwesen ziehen sich die Geschlechterungleichheiten bei Einkommen und Bildungsniveau.

Globale Ungleichheiten
In vielen Ländern des globalen Südens haben Mädchen und Frauen noch immer schlechteren Zugang zu Bildung – wegen Armut, Frühverheiratung, kultureller Normen oder fehlender Infrastruktur. Laut UNESCO besuchen weltweit noch Millionen Mädchen keine Schule.

Berufswahl-Stereotype
Mädchen werden oft nicht zu technischen oder naturwissenschaftlichen Berufen ermutigt. Was braucht es für echte Bildungsgleichheit?

  • Frühzeitige Förderung und geschlechtergerechte Berufsorientierung.
  • Kostenfreie Bildung, auch im Kita- und Vorschulbereich.
  • Mentoring und Vorbilder in allen Bildungsbereichen.
  • Politische Maßnahmen, um strukturelle Benachteiligungen abzubauen.
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Koeduktion

Koedukation bedeutet, dass alle Geschlechter gemeinsam unterrichtet werden. In Österreich ist Koeduktion seit 1975 gesetzlich verankert. In geschlechtshomogenen Klassen werden Mädchen (oder Jungen) getrennt unterrichtet, oft mit dem Ziel, bessere Lernbedingungen und mehr Selbstvertrauen zu schaffen. Die Frage, ob Koedukation (gemeinsamer Unterricht von Jungen und Mädchen) oder geschlechtsspezifischer Unterricht (z. B. reine Mädchenklassen) besser ist, wird seit Jahrzehnten diskutiert – mit guten Argumenten auf beiden Seiten. Hier ein kurzer Überblick:

  1. Soziale Realität abbilden
    • Junge Menschen lernen früh, respektvoll miteinander umzugehen.
    • Fördert soziale Kompetenzen und Vielfalt im Alltag.
  2. Gleichberechtigung fördern
    • Gemeinsamer Unterricht kann geschlechtsspezifische Rollenbilder aufbrechen, wenn Lehrkräfte gezielt sensibilisieren.
  3. Praktisch und integrativ
    • Eine Schule für alle – ohne organisatorische oder räumliche Trennung.
  1. Stärkere Beteiligung in MINT-Fächern
    • Studien zeigen: Mädchen beteiligen sich aktiver und selbstbewusster in Mathematik, Informatik und Technik, wenn Jungen nicht dabei sind.
  2. Weniger Ablenkung, mehr Förderung
    • In reinen Mädchenklassen können individuelle Stärken besser erkannt und gefördert werden, ohne geschlechtsspezifische Konkurrenz.
  3. Stärkung des Selbstvertrauens
    • Mädchen entwickeln in geschützten Räumen oft mehr Selbstbewusstsein und Führungsqualitäten.
  • Gefahr der Verfestigung von Geschlechterstereotypen („Mädchen brauchen Schutz“).
  • Geringere soziale Durchmischung – kann im späteren Leben zu Unsicherheiten im Umgang mit anderen Geschlechtern führen.
  • Nicht geeignet für alle – besonders bei nicht-binären oder trans Personen können solche Modelle ausschließend wirken.
  • Gemischte Klassen allein garantieren keine Gleichberechtigung – entscheidend ist die pädagogische Haltung.
  • Einzelne Mädchenförderklassen oder -angebote (z. B. in MINT-Projekten) zeigen positiven Effekt auf Leistung und Motivation.
  • Am erfolgreichsten sind koedukative Modelle mit gezielter Förderung und reflektierter Geschlechterpädagogik.
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Bildung und Chancengleichheit beginnt bereits in den frühen Jahren

Durch die Unterstützung von Mädchen in MINT-Fächern in dieser entscheidenden Phase können nicht nur individuelle Potenziale freigesetzt werden, sondern es wird auch ein Beitrag dazu geleistet, dass die MINT-Bereiche von der Vielfalt und dem Talent profitieren, das Mädchen und Frauen mitbringen. Mädchen für MINT zu begeistern heißt: Zugänge schaffen, Selbstvertrauen stärken, Rollenbilder erweitern. Mit gezielter Förderung, engagierten Lehrkräften und inspirierenden Vorbildern können Mädchen ihr ganzes Potenzial entfalten – zum Nutzen der ganzen Gesellschaft.

  • Neugier wecken durch Experimente, Bauen, Programmieren mit Alltagsmaterialien.
  • Spielen mit Technik (z. B. LEGO, Konstruktionsspiele, Lern-Apps).
  • Geschlechterneutrale Sprache und Materialien: keine „Mädchenfächer“ oder „Jungenfächer“.
  • Frauen in MINT-Berufen in Schulbüchern, Projekttagen, Filmen und Social Media zeigen.
  • Mentorinnenprogramme: Schülerinnen können von realen Wissenschaftlerinnen oder Ingenieurinnen begleitet werden.
  • Projekte wie „#girlswhocode“, „MINT-Role-Models“ oder „Komm, mach MINT“ fördern authentische Identifikationsfiguren.
  • Mädchen fühlen sich wohler, wenn sie ermutigt statt bewertet werden.
  • Lehrer*innen sollten auf Gender-Stereotype achten und gezielt alle zur Beteiligung ermutigen.
  • Räume, Materialien und Aufgaben sollten nicht unbewusst männlich dominiert sein (z. B. Robotik nicht nur mit Fußball, sondern auch mit Umwelt-Themen kombinieren).
  • Mädchen-MINT-Camps, Technik-AGs, Programmierclubs oder Maker-Spaces.
  • Schülerinnen-Technik-Tage, Wettbewerbe wie „Jugend forscht“ mit speziellen Mädchenkategorien.
  • Online-Plattformen wie „mintmagie.de“ oder „girls-day.de“ bieten kreative Einstiege.
  • Mädchen unterschätzen oft ihre Leistungen – besonders in Mathe und Technik.
  • Feedback sollte leistungsbezogen und bestärkend sein („Du hast das gut gelöst!“ statt „Du bist ein Mathe-Talent“).
  • Erfolge sichtbar machen und Misserfolge als Lernchance darstellen.
  • Zeigen, dass MINT-Berufe kreativ, gesellschaftlich relevant und vielfältig sind (z. B. Medizintechnik, Umweltinformatik, erneuerbare Energien).
  • Schülerpraktika bei MINT-Unternehmen, Hochschulprojekte, „Schnupperstudium“ speziell für Mädchen.
  • Eltern beeinflussen berufliche Interessen und Selbstbild stark.
  • Workshops, Elternabende oder Informationskampagnen können helfen, Stereotype abzubauen und Mädchen zu unterstützen.